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Architektur spielt mit

Masterarbeit WS 2017/18

Ein Kindergarten

Mein Konzept eines Kindergartens wird in eine konkrete urbane Situation eingebettet. Wir befinden uns in Berlin Mitte in der Nähe des Alexanderplatzes. Hier sind viele Aspekte einer verdichteten und typisch urbanen Situation gegeben. In diesem Großstadttrubel fehlt es an Spielplätzen und Freiraum für Spiel und Bewegung. Da hier jedoch viele Kinder mit ihren Familien leben, existiert hier auch ein entsprechen großes Bedürfnis an kindgerechten Flächen. Dieses ist in Berlin Mitte bis jetzt nicht gestillt. Hier möchte ich mit meinem Kindergarten-Entwurf ansetzen.

Während meiner Recherchen, wo in solch einer verdichteten urbanen Situation eine geeignete Freifläche für dieses Projekt zu finden sei, sind mir die vielen ungenutzten Dachflächen diverser Plattenbauten und Hochhäusern in Berlin Mitte aufgefallen. Le Corbusier baute 1952 in Marseille die Cité Radieuse – eines der einflussreichsten und umstrittensten Bauwerke der Moderne. Schon er platzierte auf der Dachfläche einen Kindergarten – ein Ort mit phänomenalem Ausblick, der kindgerechte Planung mit der Radikalität des Betonbaus verbindet. Diesem Planungsgedanken Corbusiers liegt jedoch ein eher utopischer Gedanke zugrunde: Kindern den besten Platz der Stadt zu geben. 

Bestand

Bei dem konkreten Gebäude, welches ich mir für die Dachbebauung ausgesucht habe, handelt es sich um das ehemalige Fernmeldeamt (FMA) in Ostberlin. Es befindet sich in der Klosterstraße 44, ca. 600 Meter vom Berliner Alexanderplatz entfernt, und wurde von der deutschen Post der DDR genutzt. Heute ist das Gebäude zu einem kreativen, alternativen Ort in Berlin Mitte geworden. Seit dem Jahr 2003 wird ein Teil des Gebäudes vom Theaterdiscounter, einem freien, unabhängigen Theater genutzt. Der größte Teil des Gebäudes wird von der Künstlergemeinde „Atelierhaus Klosterstrasse 44 Berlin Mitte“ genutzt. Viele junge Designbüros, NGOs und Künstlerateliers sind in dem Gebäude zu finden.

Konzept

Ziel des Entwurfs ist es den Kindergarten-Kindern eine offene Bewegungsstruktur zu schaffen, die zur Bewegung inspiriert, zum Ausprobieren animiert und Freiraum für Ertüchtigung bietet. Das Raumkonzept soll dazu anregen im Inneren sowie im Äußeren des Gebäudes zu rennen, zu klettern, zu laufen und körperlichen Grenzen auszutesten. Die Kinder sollen sich durch das Gebäude motiviert und animiert fühlen, ihre Freude an Bewegung und Dynamik auszuleben und zu zelebrieren. Oft sind Kinder in zu kleinen und geschlossenen Räumen, die Ihnen Bewegung allein schon aus Platzgründen verwehrt. Der geplante Kindergarten stellt dazu einen Gegenentwurf dar. Die Räume in diesem Kindergarten fließen ineinander über. So wird mit freistehenden Wandscheiben gearbeitet, zwischen denen sich die Kinder bewegen können. Die Wandscheiben bilden dabei sich ändernde Raumwelten, die stets neue Perspektiven, Blickachsen und Ausblicke zulassen. So werden reizvolle, sich schlängelnde Freizonen kreiert, die die Kinder zum Toben und Entdecken nutzen können. Die so entstehenden, kontrastreichen Räume mit abwechselnder Weite und Enge stellen interessante Spiel- und Bewegungsflächen dar.

 

Wandscheiben

Die Wandscheiben zonieren die Flächen und schaffen Teilbereiche. Mikro-städtische Situationen entstehen durch das Schaffen neuer Wege und Straßen. Die Wandscheiben schirmen einzelne Bereiche durch Ihre Krümmung indirekt ab, lassen diese aufgrund Ihrer beidseitigen Öffnungen dennoch durchlässig erscheinen. Der Einsatz von gekrümmten Fassadenscheiben lässt zudem neue Außenflächen entstehen. Durch die freigesetzten Wandscheiben werden Kinder animiert ihren eigenen Weg durch das Gebäude zu suchen. Das Suchen und Finden schafft dabei interessante Raumerlebnisse und die Autonomie und Selbstständigkeit der Kinder wird gestärkt.

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Brücke

Um den Charakter der mikro-städtischen Situation mit Höhenunterschieden zu unterstreichen und ein motorisches Übungsfeld zu schaffen, ist die Unterplatte des aufgesetzten Gebäudes nicht eben. Im hinteren Teil befindet sich eine Brücke. Hier verengt sich die geschlossene Gebäudestruktur und wölbt sich zwei Meter in die Höhe. Schon bei gering geneigten Flächen beginnen Kinder zu rennen, sich gegenseitig zu fangen und in spielerische, motorische Situationen zu gelangen. Genau dies entspricht auch dem angedachten Zweck. Die Brücke bildet nicht nur eine Verbindung zwischen den zwei Kindergartengruppen, sie wird auch zum stärksten motorisch-spielerischem Element der Fläche. Kinder werden dazu eingeladen sich körperlich anzustrengen und Kraft aufzuwenden, um die andere Seite des Berges zu erreichen. Beim Herunterrennen auf der anderen Bergseite kommen die Kinder so richtig in Schwung und können ihre Energie anschließend auf den weitläufigen Bewegungsflächen zwischen den Wandscheiben herauslassen. Durch die zentrale Wölbung des Gebäudes entsteht in den städtischen Kontext hinaus der Eindruck, dass die geradlinige Struktur des Bestandsgebäudes spielerisch aufgelöst wird. Der spielerische Kontext wird somit auch visuell in die Umgebung des Gebäudes getragen.

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Fassade

Die Fassade wird optisch um eine Etage erweitert. Dabei wird das Fenster- und Konstruktionsraster des Bestandes aufgenommen. Der Aufbau wird zwar optisch als neues Element wahrgenommen, hat durch die Aufnahme des Rasters jedoch einen eindeutigen Bezug zum Bestandgebäude. Die neue Etage nimmt die optisch horizontale Gliederung des Bestandsgebäudes auf, wird dabei aber von einer großen Welle an der Fassade unterbrochen. Die Outline der Brücke wird optisch an die vordere Fassade projiziert, was städtebaulich und kontextuell sehr spannend ist. Schließlich zeigt es, dass das Gebäude nun von einer neuen Dynamik dominiert wird, welche die Kinder in das Gebäude bringen. Es wird deutlich, dass architektonisch etwas Neues passiert, was aus dem Blickwinkel eines vorbeilaufenden Passanten jedoch nur zu erahnen ist. Ansonsten ist das Raster mit einem Stahlnetz bespannt, welches als Absturzsicherung zugelassen ist.

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Eingangsbereich & Küche

Die Erschließung der Etage erfolgt über eine innenliegende Treppe. Das bestehende Treppenhaus wird dazu um einen weiteren Treppenabschnitt ergänzt. Doch unterscheidet sich die Treppe formal von den Bestandstreppen. Sie gleicht sich an die Formsprache der neu entstehenden Etage an. Bereits beim Betreten des Treppenbereichs soll das Gefühl entstehen, in eine anderen Welt einzutauchen. Regelmäßige Mahlzeiten sind gerade für Kinder sehr wichtig. Sie formen ihren Alltag und geben diesem eine Struktur. Die Küche spielt deshalb eine wesentliche Rolle im entworfenen Kindergarten. Es wird sehr viel Wert auf gutes, leckeres sowie gesundes Essen gelegt. Täglich frisch wird gekocht. Die Küche ist für die Kinder frei zugänglich. Jeden Tag gibt es ein anderes Team von Kindern, welches der Köchin / dem Koch beim Zubereiten des Mittagessens hilft. So sollen Kinder schon früh an das Thema gesunde Ernährung herangeführt werden. Es gibt einen Küchentresen, an dem Kinder mitarbeiten können. Ein Lagerraum ist direkt an die Küche angeschlossen ist, damit lange Wege vermieden werden können.

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BÜRO DER LEITUNG & MITARBEITERRAUM

Der Funktionsbereich der Verwaltung bzw. der Mitarbeiterbereich ist nach dem identischen Prinzip der anderen Wandscheiben aufgebaut. Es wird ganzflächig ein Wandschrank vor die Wandscheibe gesetzt. In diesem befinden sich Stauraum sowie Garderoben. Im Mitarbeiterraum gibt es eine kleine Küchennische. Ansonsten können die Räume flexibel möbliert werden. Hier gibt es neben den Einbauspots auch abgehangene Leuchten, die für ein angenehmes, warmes Licht sorgen. Es existieren einige Durchbrüche in der Wand, die Durchblicke in die offene Bewegungszone des Kindergartens ermöglichen. Die Räume können durch Schiebetüren, die in der Wand integriert sind, geschlossen werden.

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Kinderrestaurant

Das Kinderrestaurant bietet den Kindern eine tolle Möglichkeit, um in Ruhe und in ästhetischer Umgebung zu essen. Der Raum ist sehr simpel aufgebaut. Vor der Wandscheibe befindet sich eine Sitzbank in Kinderhöhe. Vor dieser sind Tische und Stühle so platziert, dass die Kinder im Halbkreis gemütlich zusammensitzen und ihre Mahlzeit zu sich nehmen können. Gegenüber gibt es die Essensausgabe. Ein Tresen, in dem Warmhaltetechnik integriert ist, dient der Essensausgabe. In ihm wird rückseitig auch Geschirr und Besteck gelagert. Die abgehangenen Leuchten sorgen für atmosphärisches Licht beim Essen.

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OFFENE BEWEGUNGSZONE

Die entstehenden weitläufigen Wege, Flure und die Brücke werden zur zentralen Spiel- & Bewegungsfläche, in der sich die Kinder außerhalb der Gruppenräume frei bewegen und austoben können. Durch die geschlängelten Wege entstehen interessante Raum- und Bewegungserlebnisse. Die offene Zonierung gibt den Kindern eine Menge Platz für freies Spiel, zum Rennen, zum Erklimmen der Brücke sowie zum Beklettern der eingestellten Klettertürme. Die Fläche soll Kindern Freude an Bewegung geben, sie zu Bewegungen animieren und autonomes Handeln fördern. Die geneigte Fläche der Brücke regt die Kinder in besonderem Maße zu körperlicher Anstrengung an. Sie werden quasi herausgefordert die Neigung zu erklimmen. Und werden dann dadurch belohnt, dass sie auf der anderen Seite den Hügel wieder hinunterrennen können. Dieses Element hat den stärksten motorischen Aufforderungscharakter der zentralen Zone und wird so zum beliebten Ort für Bewegungsspiele.

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GRUPPENRÄUME

Es existieren zwei Gruppenräume, jeweils an den Seiten der Brücke. Auch hier ist die gebogene Wand die Funktionswand. Vor die Rohwand wird ein „bespielter Wandschrank“ gesetzt. In diesem sind die Funktionen Stauraum, Rückzugsmöglichkeiten, Sanitärzellen, Wickelraum, Handwaschmöglichkeiten, Duschzellen und Schlafmöglichkeiten untergebracht. In der Höhe ist der „Wandschrank“ dreigeteilt. In der untersten Etage gibt es kleine Rückzugsnischen, sowie Stauraum. In den beiden Ebenen darüber gibt es kleine Schlafzellen, die alle ein kleines Fenster in den Gruppenraum haben. Die Schlafzellen sind über eine innenliegende Treppe und einen Flur erreichbar. Im Gruppenraum eins gibt es zudem noch eine Rutsche von der Ebene der Betten nach unten. Vor dem Wandschrank wird zudem eine breite Sitzstufe geschaffen, die zum Verweilen und Spielen genutzt werden kann. Ansonsten sind die Gruppenräume lose möbliert und können so Situationen flexibel angepasst werden. Die Gruppenräume lassen sich durch – in die Wand integrierte – Schiebetüren schließen. Aus den Gruppenräumen kommt man ebenerdig auf die Außenflächen.

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AUSSENFLÄCHEN

Durch den gewölbten Durchgang unter der Brücke entsteht eine zusammenhängende Außenzone, welche gleichzeitig von beiden Kindergartengruppen genutzt wird. Sie ist ebenerdig von den Gruppenräumen zu erreichen. Die Fläche ist im Zentrum mit einem Holzboden versehen, da sich Rasen an dieser Stelle zu schnell ablaufen würde. In den Randzonen gibt es einen hügeligen Boden, der mit Gras bewachsen ist. Wie in der Natur können die Kinder hier über kleine Hügel klettern und sich verstecken. Auf beiden Seiten gibt es jeweils ein freistehendes, halbhohes Kletterelement. Dieses kann von außen als auch von innen beklettert werden. Im ersten Garten sind Trampoline bündig in den Boden gebaut, während es im zweiten Garten einen großen Sandkasten mit hügelförmigen Sitzelementen zum Hochklettern und Hinsetzen gibt. Die Absturzsicherung an der Fassade wird über eingespannte Stahlnetze gelöst. Die gesamte Zone bietet einerseits viel Platz zum Toben und Rennen und andererseits die Möglichkeit für motorische Lernspiele über die Kletterelemente. Durch die exponierte Lage auf dem Dach existieren sehr gute Belichtungsverhältnisse mit sonnendurchfluteten Bewegungs- und Spielzonen. Die Außenflächen sind dabei in unterschiedliche Himmelsrichtungen ausgerichtet: eine Süd-Ost- und eine West-Fläche. Je nach Tageszeit kann die gewünschte Belichtung über die Wahl des Spielortes ausgesucht werden.

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Modell

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Material

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